„FAZ“-Redakteurin Regina Mönch: Rot-Rot-Grün bedient Partikularinteressen

Ein schlechter Start der Landesregierung – und schlechte Aussichten für Berlin

Der Koalitionsvertrag der rot-rot-grünen Landesregierung verheißt nichts Gutes für Berlin. Probleme werden ignoriert, die eigene Klientel bedient. Berlin wird so weltfremd wie nie regiert, meint die Journalistin Regina Mönch.

Foto: Jeroen Moes / flickr.com / CC BY-SA 2.0Foto: Jeroen Moes / flickr.com / CC BY-SA 2.0

Die neue rot-rot-grüne Landesregierung unter dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat einen schlechten Start hingelegt. Zuerst einmal stritt man sich um die Personalie Andrej Holm, die nur durch dessen halbfreiwilligen Rücktritt gelöst werden konnte. Das Ende dieses unerfreulichen Streits macht jetzt den Blick frei auf das Regierungsprogramm, auf das sich die Koalitionspartner geeinigt haben. Und das lässt, wie „FAZ“-Autorin Regina Mönch schreibt, wenig Gutes erhoffen.

Mönch hat den Koalitionsvertrag gelesen – und ist einerseits verwundert, andererseits erschüttert. Verwundert, weil sie in den Aktionen von Müller & Co. wenig erkennen kann, was sie als „regieren“ bezeichnen möchte. Und erschüttert, weil sie durch diesen Stil fatale Folgen für die Stadt befürchtet. „Rot-Rot-Grün ist eine gute Koalition für Partikularinteressen und die Umerziehung der Stadtgesellschaft, damit sie das akzeptiert. Sollte alles umgesetzt werden, läuft sie jedoch Gefahr, atomisiert zu werden. Weltfremder ist Berlin wohl noch nie regiert worden“, meint sie.

Vor den großen, strukturellen Problemen hat Rot-Rot-Grün bereits kapituliert, bevor die Regierungstätigkeit erst richtig losgeht, meint Mönch. Sicherheit, Verkehr, Infrastruktur, Schulen – auf die drängenden Fragen findet man keine überzeugenden Antworten, sondern ergeht sich in wolkigen Absichtsbekundungen und versucht die Verantwortung von sich abzuwälzen. Insbesondere die Probleme der Schulen – und damit die der Schüler – geht die Regierung nicht ernsthaft an, beklagt Mönch, und da das Schulressort weiterhin in Händen der SPD ist, hat sie auch keine Hoffnung, dass sich etwas ändert.

Statt sich also um die echten Probleme zu kümmern, strotzt der Koalitionsvertrag nur so von Versprechungen für diverse Interessengruppen, die zwar nicht groß sind, aber lautstark ihre Stimmen zu erheben wissen. Unter anderem geht die Regierung freudig auf die so genannte LSBTTIQ-Szene (die Bezeichnungen wechseln hin und wieder) zu und macht ihr Versprechungen. Mönch: „Mit sektenartigem Eifer soll die Mehrheitsgesellschaft zur bedingungslosen Akzeptanz dieser Seltenheiten erzogen werden. Es ist nur ein Beispiel von vielen für eine Minderheitenpolitik, die Herkunft oder Geschlecht betont und wie die Erlösung vom Bindekraftmangel daherkommt, aber das Gegenteil, die Spaltung, bewirkt. Mit dem Lebensalltag, gar mit der Gefährdung der Stadt, hat sie wenig zu tun.“

Die Aussichten für Berlin sind also eher düster. Die Regierung ignoriert die Probleme der Stadt und entwickelt deshalb auch keine Konzepte. Stattdessen ergeht sie sich in ideologischer Klientelpolitik. Dass sie regelt, wo bei den Bussen der BVG eingestiegen werden dürfen soll (an beiden Türen), ist vor diesem Hintergrund geradezu witzig. Und dass sie sich zu bestimmten Themen gar nicht oder nur am Rande äußert, zum Beispiel zur so genannten Hochkultur, lässt einen fast schon erleichtert zurück. Doch eigentlich hätte man gerne eine Regierung, die den Aufgaben, die die Wirklichkeit an sie stellt, gewachsen ist – aber die ist nicht in Sicht. Möch beruhigt allerdings: „Die große Stadt hat Schlimmeres ertragen, auch diese Regierung wird sie nicht ruinieren. Aber ob sie mit ihr lebenswerter, sicher wird, ob sie wieder starke Bindekräfte entwickeln kann, steht noch nicht einmal in den Sternen.“

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